Entschlossen hält der unbekannte bronzene Soldat von 1906 im Deutschmeisterdenkmal am Deutschmeisterplatz die Fahne seines Regiments hoch. Gleichzeitig rasten erschöpfte TouristInnen auf dem flachen Sockel des Holocaust Mahnmals auf dem Judenplatz. Zwischen der Enthüllung beider Denkmäler, die unterschiedlicher nicht sein könnten, liegen knapp 100 Jahre und zwei Weltkriege – beide prägen heute das Stadtbild von Wien!

Für Vaterstadt, Kaiser und Vaterland

Während man im 19. Jahrhundert in Österreich vor allem damit beschäftig war, Regenten, Feldherren und Genies auf den Sockel zu heben, so wurde im 20. Jahrhundert zum ersten Mal auch hierzulande der einfache Soldat „denkmalwürdig“. Eine Entwicklung, die in Wien – ca. mit einem halben Jahrhundert Verspätung zu Deutschland oder Frankreich – mit der Errichtung des Deutschmeisterdenkmals von 1906 einsetzte. Obwohl auf der Spitze des Obelisken erstmals ein „gemeiner Soldat“ und kein „edler Feldherr“ die Fahne schwingt, so bleibt die dahinter stehende Grundaussage dennoch dieselbe wie die der vorangegangenen Feldherrendenkmäler. In erster Linie geht es auch hier um „die Glorifizierung der Militärmacht des Habsburgerreiches“, so die Historikerin Christa Dietrich. In einer im Grundstein des Denkmals eingeschlossenen Urkunde heißt es zur Bedeutung des Monuments: „Das Denkmal soll das Andenken an die heldenmütigen Waffentaten dieses Regiments, an die todesmutige Hingebung der Söhne unserer geliebten Vaterstadt für Kaiser und Vaterland den kommenden Geschlechtern überliefern.“

Der Denkmalsetzung vorangegangen war das 200-Jahr-Jubiläum des Regiments, das mit einem rauschenden Fest unter großer Beteiligung der Bevölkerung begangen worden war. Zu jener Zeit soll ein regelrechter Kult um das Regiment der „Hoch- und Deutschmeister“, die auch als das Hausregiment der Wiener bezeichnet wurden, geherrscht haben. Wie wichtig das Denkmal für die damalige Stadtregierung, allen voran dem christlich sozialen Bürgermeister Karl Lueger war, zeigt die hohe Summe, mit der das Denkmal subventioniert worden ist. Auch hatten sich Lueger und sein „Team“ unter Berufung auf den Volksverstand massiv in die Gestaltung des Denkmals eingemischt und sich gegen den Vorschlag der prominent besetzten Fachjury ausgesprochen. Die Presse soll dem Denkmal positiv entgegengekommen sein. Einzig die sozialdemokratische Arbeiterzeitung stand dem Kult um die „Edelknaben“ des Deutschmeisterregiments kritisch gegenüber sowie im Übrigen dem Militärdenkmal an sich.
Doch kritischen Stimmen zum Trotz setzte mit dem Deutschmeisterdenkmal ein neuer Trend in Wien ein. Von nun an wollten sich auch die anderen Regimenter in Denkmälern verewigt wissen. Die Gemeinde Wien förderte noch ein weiteres Regimentsdenkmal – wenn auch nicht in der gleichen Höhe – das so genannte Hesser-Denkmal. Die feierliche Enthüllung fand – dieses Mal in Anwesenheit des Kaisers – im Mai 1909 am Neubaugürtel statt, wo es auch heute noch steht. Zu weiteren Regimentsdenkmälern sollte es allerdings nicht mehr kommen. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde diese noch junge Entwicklung schnell gestoppt. Laut Dietrich wirft der Krieg bereits seinen Schatten in den beiden Denkmälern voraus. „Zwar betreiben diese Denkmäler nicht gezielt ‚Kriegspropaganda’, aber sie fördern eine Stimmung in der Bevölkerung, in der der Krieg glorifiziert steht.“

Nach dem Krieg ist vor dem Krieg: Von der Zwischenkriegszeit zum Staatsvertrag

Nach dem 1. Weltkrieg war eine Unzahl von Toten zu betrauern. Diesem Umstand „verdankt“ das Deutschmeisterdenkmal seinen bronzenen Kranz, der nachträglich im Gedenken an die Toten des Ersten Weltkrieges an den Stufen des Denkmals angebracht worden war. In den verschiedenen Bezirken entstanden zudem Denkmäler in Erinnerung an die Gefallenen der Jahre 1914-1918. Und auch die Gemeinde Wien entschloss sich zur Errichtung eines Gefallenen-Denkmals. Das Denkmal von Anton Hanak – das eine klagende Mutter zeigt – befindet sich seit 1925 auf dem Zentralfriedhof. Die Inschrift lautet: „Herr gib uns Frieden! Den Gefallenen des Weltkrieges der Stadt Wien“. Laut der Denkmalexpertin Alexandra Vasak handelt es sich bei diesem Denkmal um kein ausgesprochenes „Antikriegerdenkmal“, jedoch sieht die „Gestaltung von einer Verherrlichung und Verharmlosung des Krieges, wie sie oft in Kriegerdenkmälern vorkommt, ab.“

360-Grad-Panorama vom Judenplatz mit Mahnmal und Lessing-Denkmal

Was die nationalsozialistische Herrschaft 1938 bis 1945 anbelangt, so hat diese im Bezug auf Denkmäler jedenfalls kaum Spuren in Wien hinterlassen, abgesehen von den Flaktürmen, die anders als in anderen Städten in Wien nicht abgetragen, sondern anderen Verwendungszwecken zugeführt wurden. Viele der geplanten großen Denkmalprojekte kamen nicht mehr zur Durchführung. Auf der anderen Seite wurden viele der von den Nationalsozialisten zerstörten Denkmäler wie das Lessing Denkmal auf dem Judenplatz nach dem Krieg wieder aufgestellt.

Aber auch die Alliierten haben bis 1955 kaum denkwürdige Spuren im Stadtbild hinterlassen. Lediglich das Denkmal für die gefallenen Soldaten der Roten Armee bei der Befreiung Wiens am Schwarzenbergplatz liefert heute noch eindringliches Zeugnis für die Präsenz der Russen in Wien nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Österreichischen Staatsvertrag von 1955 verpflichtet sich Österreich zudem, für den Erhalt des Denkmals aufzukommen. Dies bedeutet, Gräber, Denkmäler, Embleme sowie Gedenksteine auf dem gesamten österreichischen Staatsgebiet zu achten und zu schützen.

Die Mahnmale der Stadt Wien

Doch auch auf Seiten der Stadt Wien entstanden in den Jahren unmittelbar nach dem Krieg zahlreiche Gedenkstätten, die den Opfern des Zweiten Weltkrieges gewidmet sind. Initiatoren waren oftmals Freiheitskämpfervereinigungen und KZ-Überlebende. Standort dieser frühen Art des Mahnmals ist der Friedhof. Als typisches Beispiel für ein solches Denkmal wäre laut Vasak, das „Mahnmal für die Opfer der Stadt Wien“ auf dem Wiener Zentralfriedhof von 1948 von Fritz Cremer, Wilhelm und Margarete Schütte zu nennen. Die Inschrift lautet knapp: „Den Opfern für ein freies Österreich 1934-1945“. Die Jahreszahl zeigt an, dass hier neben den Opfern des nationalsozialistischen Terrorregimes auch den Opfern des Austrofaschismus gedacht werden soll. Dem Holocaust gewidmete Denkmäler gab es zu jener Zeit allerdings noch nicht.
Generell lässt sich sagen, dass in der frühen Nachkriegszeit keine wirkliche Diskussion über die Täterrolle Österreichs stattfindet. Diese setzt laut Vasak erst rund um die Geschehnisse zur Präsidentenwahl Kurt Waldheims in den 80er Jahren ein. Für Vasak beginnt in den 80er Jahren nach einer Phase des Verschweigens und des Stillstands die Phase der ersten Aufbruchstendenzen. In diese Zeit fällt auch die Wiedererrichtung jüdischer Museen in Österreich (1989 erfolgt die Gründung des Jüdischen Museums Wiens) sowie die Setzung mehrerer Mahnmale in Österreich, die den unzähligen jüdischen Opfern gedenken. Prominentes Beispiel eines viel diskutierten Mahnmals um jene Zeit ist das Alfred Hrdlicka- „Mahnmal gegen Krieg und Faschismus“. Nach längerer Suche eines geeigneten Standortes wurde es schließlich auf dem Wiener Albertinaplatz enthüllt. Im Gespräch war unter anderem auch der Morzinplatz in unmittelbarer Nähe zum Schwedenplatz. Auf dem Morzinplatz befand sich die Gestapo-Leitstelle, die für viele Gefangene zum Inbegriff des Terrors werden sollte. Auch wenn das Hrdlicka-Denkmal hier nicht zur Aufstellung kam, so befindet sich heute auf diesem Platz ein anderes Mahnmal, das „Mahnmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft„. Eine Bronzefigur und ein Block aus Mauthausener Granit symbolisieren das Schicksal der Opfer. Das Hrdlicka-Mahnmal hingegen wurde 1988 vor der Albertina enthüllt. Doch auch nach seiner Enthüllung rief das Mahnmal rund um einen die Straße waschenden Juden zahlreiche Diskussionen hervor.

So hatte sich unter anderem auch Simon Wiesenthal negativ zum Hrdlicka-Mahnmal geäußert und sich für die Setzung eines Mahnmales auf dem Wiener Judenplatz eingesetzt. Ein internationaler Wettbewerb wurde ausgeschrieben, den die englische Bildhauerin Rachel Whiteread für sich entscheiden konnte. Anders als beim Hrdlicka-Denkmal gab es gewisse Vorgaben – eine Gedenkschrift, eine Auflistung aller Konzentrationslager, in denen österreichische Juden starben und eine abstrakte Darstellungsform – die von der Künstlerin berücksichtigt werden mussten. Die Einbeziehung der archäologischen Funde einer der größten Synagogen aus dem Mittelalter im Jahre 1995 blieb der Künstlerin überlassen. Die Reste der Synagoge sind heute von einem unterirdischen Zugang vom restaurierten Misrarchi-Haus zugänglich. Das „Mahnmal für die jüdischen Opfer 1938 – 1945“ wurde im Jahr 2000 nach unzähligen Diskussionen enthüllt. Laut Vasak symbolisiert das Denkmal bereits einen sehr intellektualisierten Umgang mit der Setzung von Mahnmalen. Ebenfalls beobachten lässt sich in den 90er Jahren ein Anstieg der Mahnmale verschiedener anderer Opfergruppen. Ein jüngeres Beispiel hierfür stellt das Mahnmal für die Opfer vom Spiegelgrund“ aus dem Jahr 2003 dar. 772 Licht-Stelen erinnern an 772 ermordete Kinder und Jugendliche, die von 1940 bis 1945 auf dem Anstaltsgelände „Am Spiegelgrund“ von Ärzten der Nationalsozialisten für medizinische Versuche missbraucht und getötet wurden.
Seit 2014 erinnert zudem ein von Künstler Olaf Nicolai gestaltetes Denkmal am Ballhausplatz an die Verfolgten der NS-Militärjustiz. Diese war Teil der Diktatur des Hitler-Regimes und zuständig für die Aufrechterhaltung der Disziplin und „Manneszucht“ – wie es damals hieß. Über 15.000 Todesurteile wurden an Deserteuren vollstreckt. 1.200 bis 1.500 davon alleine an Österreichern. Zum Vergleich: Im Ersten Weltkrieg waren es in Deutschland gerade einmal 48 Todesurteile, die gegen Deserteure verhängt wurden. Diejenigen, denen die Flucht gelang, mussten sich monatelang verstecken oder sie kämpften auf Seiten der Alliierten gegen das NS-Regime. Nicht selten wurden sie dafür im Nachhinein als Landesverräter beschimpft.
Österreich vollführte in den Jahren nach dem Krieg den Spagat, sich als das erste Opfer von Hitler-Deutschland zu präsentieren und gleichzeitig die Gefallenen zu betrauern, die im Zweiten Weltkrieg für die „Heimat“ gestorben waren. Während die Soldaten des Hitler-Regimes mit unzähligen Kriegerdenkmälern geehrt wurden, verfügten diejenigen, die beschlossen hatten, sich gegen das Regime zu wenden, lange Zeit über kein Denkmal.

Ein Denkmal für die homosexuellen Opfer des NS-Regimes soll alsbald im vierten Bezirk im Resslpark errichtet werden. Dem Denkmal – das Siegerprojekt wird im April verkündet – voraus gegangen waren mehrere temporäre Denkmalintallationen. Darunter das Aufsehen erregende „Schwule Sau“ von Jakob Lena Knebl sowie zuletzt (2015) „raising the bar“ von Simone Zaugg.

Siehe auch:
„Niemals vergessen“
Die „Reise ins Nichts“ begann in Wien – neues „Mahnmal Aspangbahnhof“ erinnert an Opfer der Deportation durch die Nationalsozialisten

Quellen:
Dietrich, Christa: Regimentsdenkmäler als Symbole für Reichseinheit und militärische Tradition. Eine Wiener Sonderentwicklung in der ausgehenden Monarchie. In: Steinernes Bewusstsein. Hrsg. Stefan Riesenfellner. Böhlau: Wien 1998
Vasak, Alexandra: Sichtbare Erinnerung. Der Umgang mit Denkmälern in Österreich. Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften: Frankfurt am Main 2004
Das Wiener Russendenkmal. Hrsg. Marschik, Matthias. Turia + Kant: Wien 2005
dasrotewien.at: Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie. http://www.wien.spoe.at/online
Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes; http://www.doew.at/


Geschrieben von Sandra Schäfer